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Das Kriegsende in Obrigheim

Pfarrer August Stäckler †

Pfarrer August Stäckler war von 1936 – 1951 zunächst Pfarrverweser, ab 1938 Pfarrer in der katholischen Kirchengemeinde Obrigheim. 1951 wurde er auf die Pfarrstelle nach Nußloch versetzt, 1954 Dekan im Dekanat Wiesloch, 1963 zum Geistlichen Rat, 1966 zum Ehrendekan ernannt. Seinen Ruhestand verbrachte er ab 1966 in Obrigheim, wo er 1978 im Alter von 76 Jahren verstarb. Unmittelbar nach Kriegsende wurden die Ortsgeistlichen von der Kirchenbehörde aufgefordert, einen Bericht über die Kriegsereignisse in ihrem Pfarrort zu schreiben. Die Folgenden Zeilen sind eine auszugsweise Wiedergabe der Kriegsereignisse in der Pfarrei Obrigheim. Karl Heinz Neser


I. Ereignisse vor der Besetzung

Die Ereignisse vor der eigentlichen Besetzung sind in der Hauptsache gekennzeichnet durch seit etwa 1 Jahre sich mehrende Angriffe durch die Luftwaffe. Grund hierfür war zunächst einmal die Lage Obrigheims gegenüber Neckarelz, also ganz in der Nähe der hier zusammenlaufenden wichtigen Eisenbahnlinien, ferner die wichtige Neckarbrücke zwischen Obrigheim und Diedesheim, die des öfteren mit Bomben belegt wurde. Ein ebenso wichtiges Angriffsobjekt war die Eisenbahnbrücke über den Neckar zwischen Obrigheim und Neckarelz, die ebenfalls des öfteren angegriffen wurde, in der Anfangszeit jedoch ergebnislos. Wesentlich schlimmer wurde die Lage seit Frühjahr 1944, als in einem hiesigen Bergwerk ein höchst kriegswichtiger Betrieb (Flugmotorenbau Daimer-Benz-Berlin) untergebracht wurde. Dieser beschäftigte im Innern etwa 8000, mit den Außenanlagen ungefähr 12-15000 Menschen. Der hiesige Pfarrort glich daher seit etwa 1 Jahre tatsächlich mehr einer internationalen Stadt als einem schlichten Odenwald- oder Neckardorf.

Beim Werk selbst wurde ein eigener kleiner Bahnhof errichtet. Auf diesen wie die Außenanlagen überhaupt konzentrierten sich nunmehr die ständigen Luftangriffe, die in letzter Zeit nicht nur wöchentlich das eine oder andere Mal, sondern täglich stattfanden. Den Abschluss fanden diese Angriffe in der Passionswoche, wo durch Bombenteppiche fast alle Außenanlagen, samt den Eingängen und der Eisenbahnbrücke in Trümmern gingen… Pfarrort wie Filialen selber wurden mit Bomben nicht belegt und erlitten daher nur kleinere Schäden durch Bordwaffenbeschuss, zumal bei den Beschiessungen in der Karwoche, als im Ort Truppen untergebracht waren. Ortseinwohner kamen nicht ums Leben; dagegen fast regelmäßig das eine oder andere von dem Werk beschäftigten Arbeitern. Ebenso sind einige, z.T. Schwerverletzte unter Ortseinwohnern zu beklagen. Ferne brannte eine Scheune ab.

II. Besetzung des Ortes

Die Besetzung des Pfarrorts sowie der Filialen Hochhausen a.N. und Mörtelstein erfolgt kampflos, da infolge Sprengung der Neckarbrücke die Truppen vorher zurückgezogen werden mussten. Die letzten deutschen Truppen zogen am Karsamstag abends ab. Von Mittwoch in der Karwoche ab hörten die Fliegerangriffe auf. Der Gottesdienst in der Karwoche wurde wenigstens in der Frühe noch durchgeführt, und zwar um 5 bzw. am Karsamstag früh um 4 Uhr … Am Ostersonntag früh wurde ebenfalls um 5 Uhr eine stille hl. Messe gehalten. Am Ostersonntag rückten die amerikanischen Truppen über Aglasterhausen gegen Obrigheim heran, bogen jedoch vor dem Ort seitwärts ab nach Richtung Kälbertshausen-Hüffenhard-Hassmersheim. Infolgedessen kamen am Ostersonntag Abend, den 1. April, die ersten amerikanischen Truppen mit 4 Spähautos in das Ort, das wie erwähnt, kampflos übergeben wurde. Das Gros der Truppenverbände kam am 2. April früh um 5 Uhr. Darunter ein Militärpfarrer, der an diesem Morgen in der Frühe gleich Gottesdienst abhielt. Irgendwelche Verluste oder Zwischenfälle bei der Besetzung gab es nicht.

III. Nach der Besetzung

Die Zeit nach der Besetzung verlief ebenfalls im allgemeinen ruhig ohne weitere Zwischenfälle. Über das Verhalten der Parteileute ist wenig zu sagen, da dieselben sehr kleinlaut geworden waren und teilweise den Ort verlassen hatten, im ganzen sich jedenfalls rasch in ihrer Gesinnung umgestellt hatten. Zu Plünderungen kam es nur in einigen kleineren Fällen durch Ausländer (in der Hauptsache Polen). Vergewaltigungen sind im Pfarrorte 1-mal ebenso viele im Filialort Hochhausen zu beklagen.

IV. Schäden an kirchlichen Gebäuden

Größere Schäden an kirchlichen Gebäuden sind nicht zu berichten. Wohl erfolgten eine größere Anzahl Bordwaffeneinschläge, besonders am Kirchendach, die jedoch bald behoben werden konnten. Ebenso gingen die vielen Sprengungen, besonders am Schwesternhaus nicht spurlos vorüber, das manche Risse im Innern aufweist. Dagegen hat die Decke der Kirche sehr notgelitten, zunächst durch die Bombardierungen des oben angeführten nahe gelegen Werkes; ferner ebenfalls durch die vielen Sprengungen, die fast eine volle Woche in Anspruch nahmen. (Gesprengt wurde das Werk mit allen Eingängen, zwei Neckarbrücken und zwei große Eisenbahnviadukte). Und schliesslich infolge des Durchzugs der amerikanischen Panzerverbände. Die Kirche liegt unmittelbar an der Reichsstraße, auf der, da das Neckartal zunächst überhaupt nicht benutzt wurde, fast der gesamte Aufmarsch der Truppen sich vollzog. Die Erschütterungen verursachten größere Risse; etwa 8 qm des Deckenverputzes sind heruntergebrochen oder mussten wegen der Gefahr eines weiteren Einsturzes herausgebrochen werden. Die Decke muss jedenfalls in nächster Zeit vollkommen erneuert werden ….

V. Gesamtüberblick über die derzeitige Lage

Wie oben schon bemerkt, ist die Besetzung ruhig verlaufen. Auch jetzt kann bezüglich der Gesamtlage gesagt werden, dass sie gekennzeichnet ist durch eine allgemeine Beruhigung. Das religiöse Leben hat durch die oben geschilderten Ereignisse keine wesentliche Veränderung erfahren, wenigstens nicht am Pfarrorte selbst, wo es im allgemeinen immer gut war. Deutlicher dagegen macht sich der eingetretene Umbruch bemerkbar in Filiale Hochhausen. Hier ist ein stärkerer Besuch des Gottesdienstes und eine regere Teilnahme am religiösen Leben festzustellen, als in den vergangenen Jahren, wo gerade in Hochhausen der Einfluss der Partei sehr gross war und sich sehr zum Schaden des religiösen Lebens der dortigen Katholiken auswirkte.

Der Religionsunterricht wurde ohne jede Unterbrechung im Pfarrorte wie in den Filialen durchgeführt. Die Schulen selber sind wenigstens in Obrigheim seit Juni 1944 ganz geschlossen, in Hochhausen und Mörtelstein etwas später. Seither wurde der Religionsunterricht in zwei Wochenstunden gegeben ….

Quelle: Pfarrarchiv der kath. Pfarrgemeinde Obrigheim. Nr. 20 Weltkrieg 1939-1945


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