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Hochhausen

Zur Notburga-Sage:

Notburga-Legende

Bautz, Heiligenlexikon Band VI (1993) Spalten 1019-1020 Autor: Peter-Johannes Schuler

WICHTIG: Rez. zum Artikel Schuler (2012)

NOTBURGA in Hochausen. Im badischen Dorf Hochhausen a.N. (Neckar-Odenwald-Kreis) wird eine hl. Notburga verehrt, die nach der 1517 schriftlich fixierten Legende, die Tochter des Königs Dagobert I. und seiner heimlich angetrauten Gemahlin Mantilde gewesen sein soll. Sie habe später ihren Vater auf einen Kriegszug ins Neckartal begleitet. Hier habe sie sich von ihm getrennt und lebte zurückgezogen in einer Höhle und sei von einer Hirschkuh mit Nahrung versorgt worden. Durch ihr Wirken habe sie das Christentum verbreitet. - Hochhausen war im Mittelalter Wallfahrtsort, was die Synode von Speyer von 1496 bezeugt. In der heutigen Kirche von Hochhausen zeigt eine Grabplatte des 14. Jh. eine plastische Darstellung der Heiligen ohne linken Arm, der vom erbosten Vater ausgerissen worden sei, und mit einer Schlange, die ihr ein heilendes Kraut gebracht haben soll. In den liturgischen Büchern wird sie nicht erwähnt. Lit.: Reinhard Frauenfelder, Die Patrozinien im Gebiet des Kantons Schaffhausen, Diss. phil., Schaffhausen 1928; - E.A. Stückelberg, S. Notburga Vidua, in: Archives suisses des Traditions populaires, Bd. 12 (Basel …) 191-200; - Zs. f. Gesch. d. Oberrheins, Bd. 40 (1866) 385-401; - Badische Heimat Bd. 38 (1958) 159-170; - hl. Notburga, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, hrsg. v. Hans Bächtold-Stäubli, Bd. 6 (Berlin/Leipzig 1934-1935), Sp. 1137; - Die Kunstdenkmäler des Großherzogtums Baden Bd. 4/3 (Freiburg 1903) 33-43; - Karl Künstle, Ikonographie der Heiligen, Bd. 2 (Freiburg/Br. 1926), 468; - Julius Wilhelm, Zur Geschichte der Pfarrei Bühl im Klettgau, in: ZGO NF 39 (1938) 234 f.


Notburga lebte in Hochhausen als Einsiedlerin.

Zwei Legenden wurden 1816 in die Deutschen Sagen der Brüder Grimm aufgenommen. Die eine kennt Notburga als Tochter von König Dagobert, die andere als Tochter eines „Königs“ von Homberg am Neckar sein.
Dagobert wollte demnach seine Tochter mit dem Wendenkönig Samo vermählen, aber Notburga verweigerte sich. Auch die Hornberger Königstochter Notburga sollte, nachdem ihr ritterlicher Verlobter von einer Fahrt in fremde Lande nicht zurückgekehrt war, gegen ihren Willen verheiratet werden. Beide Notburg-Gestalten flohen in eine Höhle, um als Eremitin nur noch Christus anzugehören. In der ersten Fassung wurde Notburga von der Milch einer Hirschkuh ernährt, in der zweiten trug ein weißer Hirsch die Fliehende über den Neckar in die einer Michaels-Kapelle benachbarte Höhle und brachte ihr täglich Brot auf seinem Geweih. In beiden Legenden wurde Notburg vom Vater entdeckt, der sie mit Gewalt aus der Höhle herausziehen wollte und ihr den Arm ausriß. Eine Schlange brachte ihr daraufhin heilende Kräuter. Als die von der Umgebung als heilig Verehrte starb, sah man Engel ihre Seele gen Himmel tragen. Weiße Stiere sollen den Wagen mit ihrer Leiche an den Ort gebracht haben, über dem später die heutige Kirche von Hochhausen am Neckar gebaut wurde.
Ihr Grabmahl in der Kirche von Hochhausen war im Mittelalter ein vielbesuchter Wallfahrtsort.
Attribute: ohne Arm, mit Schlange

Am Neckar geht eine andere Sage. Noch stehen an diesem Flusse Türme und Mauern der alten Burg Hornberg, darauf wohnte vorzeiten ein mächtiger König mit seiner schönen und frommen Tochter Notburga. Diese liebte einen Ritter und hatte sich mit ihm verlobt; er war aber ausgezogen in fremde Lande und nicht wiedergekommen. Da beweinte sie Tag und Nacht seinen Tod und schlug jeden andern Freier aus, ihr Vater aber war hartherzig und achtete wenig auf ihre Trauer. Einmal sprach er zu ihr: „Bereite deinen Hochzeitschmuck, in drei Tagen kommt ein Bräutigam, den ich dir ausgewählt habe.“ Notburga aber sprach in ihrem Herzen: Eh will ich fortgehen, so weit der Himmel blau ist, als ich meine Treue brechen sollte.
In der Nacht darauf, als der Mond aufgegangen war, rief sie einen treuen Diener und sprach zu ihm: „Führe mich die Waldhöhe hinüber nach der Kapelle St. Michael, da will ich, verborgen vor meinem Vater, im Dienste Gottes das Leben beschließen.“ Als sie auf der Höhe waren, rauschten die Blätter, und ein schneeweißer Hirsch kam herzu und stand neben Notburga still. Da setzte sie sich auf seinen Rücken, hielt sich an sein Geweih und ward schnell von ihm fortgetragen. Der Diener sah, wie der Hirsch mit ihr über den Neckar leicht und sicher hinüberschwamm und drüben verschwand.
Am andern Morgen, als der König seine Tochter nicht fand, ließ er sie überall suchen und schickte Boten nach allen Gegenden aus, aber sie kehrten zurück, ohne eine Spur gefunden zu haben; und der treue Diener wollte sie nicht verraten. Aber als es Mittagszeit war, kam der weiße Hirsch auf Hornberg zu ihm, und als er ihm Brot reichen wollte, neigte er seinen Kopf, damit er es ihm an das Geweih stecken möchte. Dann sprang er fort und brachte es der Notburga hinaus in die Wildnis, und so kam er jeden Tag und erhielt Speise für sie; viele sahen es, aber niemand wußte, was es zu bedeuten hatte, als der treue Diener.
Endlich bemerkte der König den weißen Hirsch und zwang dem Alten das Geheimnis ab. Andern Tags zur Mittagszeit setzte er sich zu Pferd, und als der Hirsch wieder die Speise zu holen kam und damit forteilte, jagte er ihm nach, durch den Fluß hindurch bis zu einer Felsenhöhle, in welche das Tier sprang. Der König stieg ab und ging hinein, da fand er seine Tochter, mit gefaltenen Händen vor einem Kreuz kniend, und neben ihr ruhte der weiße Hirsch. Da sie vom Sonnenlicht nicht mehr berührt worden, war sie totenblaß, also daß er vor ihrer Gestalt erschrak. Dann sprach er: „Kehre mit nach Hornberg zurück.“ Aber sie antwortete: „Ich habe Gott mein Leben gelobt und suche nichts mehr bei den Menschen.“ Was er noch sonst sprach, sie war nicht zu bewegen und gab keine andere Antwort. Da geriet er in Zorn und wollte sie wegziehen, aber sie hielt sich am Kreuz, und als er Gewalt brauchte, löste sich der Arm, an welchem er sie gefaßt, vom Leibe und blieb in seiner Hand. Da ergriff ihn ein Grauen, daß er forteilte und sich nimmer wieder der Höhle zu nähern begehrte.
Als die Leute hörten, was geschehen war, verehrten sie Notburga als eine Heilige. Büßende Sünder schickte der Einsiedler bei der St.-Michael-Kapelle, wenn sie bei ihm Hilfe suchten, zu ihr; sie betete mit ihnen und nahm die schwere Last von ihrem Herzen. Im Herbst, als die Blätter fielen, kamen die Engel und trugen ihre Seele in den Himmel; die Leiche hüllten sie in ein Totengewand und schmückten sie, obgleich alle Blumen verwelkt waren, mit blühenden Rosen. Zwei schneeweiße Stiere, die noch kein Joch auf dem Nacken gehabt, trugen sie über den Fluß, ohne die Hufe zu benetzen, und die Glocken in den nah liegenden Kirchen fingen von selbst an zu läuten. So ward der Leichnam zur St.-Michael-Kapelle gebracht und dort begraben. In der Kirche des Dorfs Hochhausen am Neckar steht noch heute das Bild der heiligen Notburga in Stein gehauen. Auch die Notburgahöhle, gemeiniglich Jungfernhöhle geheißen, ist noch zu sehen und jedem Kind bekannt.
Nach einer andern Erzählung war es König Dagobert, der zu Mosbach Hof gehalten, welchem seine Tochter Notburga entfloh, weil er sie mit einem heidnischen Wenden vermählen wollte. Sie ward mit Kräutern und Wurzeln von einer Schlange in der Felsenhöhle ernährt, bis sie darin starb. Schweifende Irrlichter verrieten das verstohlene Grab, und die Königstochter ward erkannt. Den mit ihrer Leiche beladenen Wagen zogen zwei Stiere fort und blieben an dem Orte stehen, wo sie jetzt begraben liegt und den eine Kirche umschließt. Hier geschehen noch viele Wunder. Das Bild der Schlange befindet sich gleichfalls an dem Stein zu Hochhausen. Auf einem Altargemälde daselbst ist aber Notburga mit ihren schönen Haaren vorgestellt, wie sie zur Sättigung der väterlichen Rachgierde enthauptet wird.

Kommentar: Notburga, eine heilige Magd auf dem Schloß Rottenburg. Auf öffentl. Schaubühne vorgestellt den 17. September 1738. Süddeutsche Miscellen 1813, März, Nr. 26. Miscellen für die neueste Weltkunde 1810, Nr. 44.

Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm), Kassel 1816/18, Nr. 350


Notburga von Hochhausen

Ähnlich verhält es sich mit ihrer etwas bekannteren Namensvetterin, der heiligen Notburga von Hochhausen. Ihre Sage wurde von den Gebrüdern Grimm niedergeschrieben. Von dieser Sage gibt es - wie so oft - unterschiedliche Fassungen. Gemeinsam ist allen Varianten, dass Notburga, wiederum eine Königstochter, von der Burg ihres Vaters in die Wildnis flieht - um, in der modernen Lesart, „bei Gott“ zu sein. Dabei erhält sie Hilfe von Tieren und widersetzt sich wundersam dem Vater.
Im Detail sieht das so aus: Notburga ist die Tochter eines regionalen Königs. Dieser König will Notburga verheiraten. Den Mann, den er ausgewählt hat, möchte Notburga aber nicht. Einmal wird als Grund genannt, dass er ein Heide ist, in einer anderen Fassung verschmäht sie ihn, weil ihr Herz bereits an einen Verstorbenen vergeben ist. Notburga flieht also vor der Verheiratung von der Burg in den Wald bzw. in eine Höhle. Dabei wird ihr je nach Variation entweder von einem weißen Hirsch oder einer Schlange geholfen. Der weiße Hirsch bekommt von dem Diener der Notburga Lebensmittel zugesteckt, die er zu ihr in die Höhle bringt. In der anderen Variante versorgt die Schlange Notburga mit Kräutern und Wurzeln als Nahrungsmittel. In der ausführlicheren Gebrüder-Grimm-Fassung (die mit dem weißen Hirsch) findet der Vater schließlich Notburga in der Höhle, wo sie ihr Leben Gott verschrieben hat. Bei dem Versuch, sie nach Hause zu zerren, fällt ihr Arm vom Körper ab. In zwei Varianten wird sie zu Grabe gebracht auf einem Wagen mit zwei Stieren und dort begraben, wohin die Stiere sie ziehen. In einer dritten Variante wird sie, nachdem der Arm abgefallen ist, von einer Schlange in der Höhle gesund gepflegt.

Die Sage spielt im Neckartal, nördlich von Heilbronn. Dort ist auch heute noch ein Notburgahöhle bekannt, außerdem sind ihr in der Gegend diverse Kirchen geweiht und sie ist auf Gemälden und Standbildern dargestellt. Eine dieser Darstellungen zeigt interessanterweise Notburga, wie sie von ihrem Vater enthauptet wird - ohne dass hierzu eine Sage überliefert ist.

Betrachtet mensch nun diese verschiedenen Überlieferungen, so ist als erstes eine Frau zu sehen, die sich dem Vater widersetzt. Dies ist für eine christliche Heilige ein ziemlich ungewöhnliches Verhalten. Zumal in einer Variante der Erzählung die Motivation hierfür nicht der Glaube ist, sondern die Liebe zu einem Mann. Auch das ist kein christliches Motiv. Folgt mensch der Herangehensweise von Kurt Derung, der vor allem Sagen im Alpenraum auf matriarchale und heidnische Inhalte untersucht und dort die Göttinnen wieder entdeckt, so ist dieser Vater-Tochter (oder König-Tochter / Mann-Frau) Konflikt ein klarer Hinweis auf den Zeiten- und Machtwechsel hin zur streng patriarchalen Gesellschaft. Frauen bei KeltInnen und GermanInnen hatten eine vergleichsweise hohe Stellung und waren unter anderem magie- und kräuterkundige Priesterinnen. Das Neckargebiet gilt als alemannisch-fränkisch - also germanisch. Die Übergänge zwischen keltischer und germanischer Kultur waren aber fließend. Mit der Christianisierung ist die hohe Stellung der Frau im religiösen Leben beendet, die Gesellschaft wird wesentlich patriarchaler als sie es vorher war.
Die Christianisierung erfolgt im nördlichen Baden-Württemberg im 6. und 7. Jahrhundert, die Sage wird auf das 7. Jahrhundert datiert - also genau die Umbruchszeit, in der in vielen Gebieten die höheren Bevölkerungsschichten bereits christianisiert waren und die Landbevölkerung nicht.* Der König / Vater ist also der neue Herr - die kulturell neue herrschende Schicht - und die Frau (Notburga) verweigert sich seinem Willen, geht in die Natur, in die Abgeschiedenheit, wenn wir diesem Deutungsansatz folgen. Dort erhält sie Unterstützung durch einen weißen Hirsch und oder durch eine Schlange. Der weiße Hirsch und ganz besonders die Schlange sind heidnische Symbole der alten Religionen. Im Keltischen gilt der Hirsch allgemein als Symbol Cernunnos, auch im Germanischen ist er ein wichtiges Symboltier, dass sich auf Gürtelschnallen, Trinkgefäßen und anderen Gegenständen findet. Er wurde später christianisiert, aber im 7. Jahrhundert kann mensch noch nicht wirklich von einer christlichen Hirschsymbolik sprechen. (http://www.der-roehrende-hirsch.de/kulturgeschichte/seite7.htm). Auch eine heilende, helfende Schlange ist mit der christlichen Liturgie nicht in Übereinstimmung zu bringen. In den nicht-christlichen Religionen ist die Schlange fast immer die weise Heilerin. Durch ihr Häuten ist sie zudem ein Tier, das meist mit den Kräften der sich ebenfalls wandelnden (und heilenden) Frauen verbunden ist. Sie ist das Symbol verschiedener Göttinnen, besitzt zu dem eine Verbindung zur Erde und wurde auch als Hüterin des Hauses und der Familie verstanden. Notburga verlässt also die Gesellschaft (Burg) und geht zurück in die Natur, in eine Höhle. Höhlen sind die Übergänge zur Unterwelt oder der Bauch der Göttin oder beides. Dort lebt sie glücklich versorgt von den heiligen Tieren mit ihrem Glauben und erhält Unterstützung durch ihre Götter (Hirsch und Schlange) oder die beseelte Natur. Ihr Vater kommt und will sie zurückholen. Aber sie löst sich vollständig von ihm und seiner Welt, indem sie ihren Arm opfert. Oder anders betrachtet, er versucht Gewalt anzuwenden aber sie trotzt dem mit Hilfe der Götter bzw. Magie. Das heißt, die weise Frau der alten Religion wird letztendlich vertrieben - aber nicht besiegt.
Eine interessante Vorstellung, dass eine solch heidnische Gestalt, die gegen das Christentum kämpft - noch immer von katholische Christen verehrt wird. Natürlich kann die Sage auch anders gedeutet werden und es gibt für die hier vorgestellte Deutung keinen letzten Beweis. Aber die Tatsache, dass zum angenommenen Zeitpunkt des Entstehens der Sage die Gegend noch kaum christianisiert war und sich gleich mehrere definitiv nicht-christlich sondern heidnische Symbole in der Erzählung finden, ist recht eindeutig.

Band VI (1993) Spalten 1020-1022 Autor: Peter-Johannes Schuler NOTBURGA im Klettgau: auch gen.: hl. Notburga Vidua von Bühl, »Klettgau-Heilige«. Patronin des Kindersegens, der Mehrgeburten, der Mutterschmerzen und der Fruchtbarkeit, Attribute: 9 kleine Kinder und Königskrone. Nach der erst spät verfaßten Legende war sie eine um 796 in Edinburgh geborene schottische Königstochter, die sich als Wohltäterin der Armen auszeichnete. 814 habe sie den Thron bestiegen und 818 Herzog Albion geheiratet. Ihr Mann sei kurz darauf im Krieg gegen seine persönlichen Feinde gefallen und sie habe schwanger nach London, dann weiter aufs Festland nach Ostende, dann Rhein aufwärts bis nach Bühl im Klettgau (badische Enklave in der Schweiz; Kr. Waldshut) flüchten müssen, wo sie sich schließlich niedergelassen habe. Dort habe sie am 24. Juni 820 neun Kinder geboren, von denen eines starb. Da Wasser zum Taufen fehlte, habe sie mit einem Stab einen Felsen berührt, aus dem eine Quelle zu sprudeln begonnen habe. Am Ort der Quelle habe sie dann eine Herberge für Fremde, eine Schule und eine Kapelle errichtet, die 832 vom Konstanzer Bischof geweiht wurde, als er zur Firmung von N.s Kindern nach Bühl gekommen sei. Als sich dann immer mehr Leute an der Quelle ansiedelten und Streitereien sich häuften, habe N. die Quelle versetzt. - N. ist am 26. Jan. 840 gestorben und sie wurde nach angelsächsischer Tradition vor ihrem Altar begraben. Jahrhunderte war das Grab ein regionaler Wallfahrtsort. Von der Kirche steht heute noch der Turm und das Sakramentshäuschen. - Nach der Tradition gehört sie zu den zahlreichen christlichen Sendboten von den englischen Inseln. Ihre Legende enthält Merkmale, die vielen Heiligen dieser Zeit eigen sind: Fürstliches Geblüht, Stiftung einer Kapelle, Bezugsnahme auf eine Quelle. Eine Vita der Heiligen läßt sich nicht nachweisen, wohl aber eine literarische Darstellung im Liber Anniversarum (1440), der Einträge enthält, die bis ins 19. Jahrhundert reichen. Das Jahrtagbuch der Pfarrei Bühl, das 1746 angelegt wurde, enthält die von A. Dischinger verfaßte Denkschrift über das Leben der hl. N., die einzige Darstellung ihres Lebens (1850, Pergament-Handschrift im Pfarrarchiv Bühl). In Deutschland wurde sie in Bühl, in Ehingen a.d. Donau und in Stadion (Kr. Biberach), in der Schweiz in Wettingen (Kt. Aargau), Stalden (Kt. Zug) und Menzingen (Kt. Zug) verehrt. - Eines ihrer Kinder, die Tochter Hixta (Dixta, Hirta), wurde in Jestetten ebenfalls als Heilige verehrt. Dort stand eine ihr geweihte Kapelle; ihr Fest wurde an 6. Febr. begangen. Ein Sohn der hl. Notburga, Eglisius, wird mit der Schweizer Stadt Eglisau in Verbindung gebracht. - Abbildung: Altarbild in Bühl (1710) stellt sie in purpurnen Kleid mit blauem Königsmantel mit Hermelin gefüttert dar, am Hals Perlenschmuck, auf dem Haupt ein Diadem, ein Engel hält über ihrem Haupt einen Kranz von Lilien und weißen Rosen. In der Inschrift wird sie Regina Scotiae et patrona Klettgoviae genannt; Holzstatue des 16. Jahrhunderts aus Bruckfelden bei Überlingen (heute: Diözesan-Museum Freiburg/Br.); Kupferstich mit ihrem Bild (Sammlung des Klosters Rheinau Nr. 1856); Altargemälde aus Jestetten, Notburga und ihre Kinder; um 1700 (gedruckt bei: Stückelberger S. 196).

Lit.: Notburga, in: Acta SS Boll. Ian. Bd. 2 (1643) 750 ff.; - Lexicon der Heiligen (Köln/Frankfurt 1719); - Guenebault, Iconographie (Paris 1850) 448 f.; - J.E. Wessely, Ikonographie Gottes und der Heiligen (Leipzig 1874) 317; - H. Detzel, Christliche Ikonographie, Bd. 2 (Freiburg/Br. 1896) 559; - Karl Künstle, Ikonographie der Heiligen, Bd. 2 (Freiburg/Br. 1926) 468; - D.H. Kerler, Die Patronate der Heiligen, Ulm 1905, 80 u. 133; - Notburga, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, hrsg. v. Hans Bächtoold-Stäubli, Bd. 7 (Berlin/Leipzig 1934/35) Sp. 1138; - A. Pfeifer, in: Archiv für christliche Kunst Bd. 33 (1915) 99-104; - R. Frauenfelder, Die Patrozinien im Gebiet des Kantons Schaffhausen; Schaffhausen 1928 (Diss. phil. Zürich) 48-50; - Kunstdenkmäler des Kanton Schaffhausen Bd. 3 (Basel 1960) 127 f.; - R. Pfleiderer, Die Attribute der Heiligen, (Ulm 19182) 88; - E.A. Stückelberger, S. Notburga Vidua, in: Archives suisses des traditions populaires, Bd. 12 (1912) 191-200; - J. Wilhelm, Zur Geschichte der Pfarrei Bühl im Klettgau, in: Freiburger Diözesanarchiv NF 39 (1938) 233-252. Peter-Johannes Schuler


Notburga

Am Neckar steht eine Burg, die man Hornberg nennt, und der man's nicht ansehen sollte, daß vor vielen hundert Jahren schon einmal ein Kaiser seine Hofhaltung darin hielt. Denn die Thürme stehen noch fest, und die Mauern können noch lange dem Winde und Wetter trotzen. Der Kaiser nun, der da wohnte, hatte eine Tochter, die hieß Notburga. Eine feine Dirne war's, schlank und schön von Gestalt, dem Ritter Otto treu ergeben, der hinausgezogen war ins fremde Land, zu streiten. Aber er kehrte nicht wieder, und da stand sie an ihrem einsamen Erkerfenster Morgens, Mittags und Abends, und oft auch um Mitternacht, und schaute hinüber in den Wald, oder hinab in den Neckar, oder hinauf zum stillen Himmel. Aber wie lange sie auch hinausschaute in die ruhige Nacht, so wollt's doch nicht ruhig werden in ihrer Brust. Und wenn der Sturmwind an ihrem Erkerfenster vorüberbrauste, so stand sie auch oft da, und ihre Seufzer flogen mit dem Sturmwinde in die Welt hinein, und ihre Thränen fielen oft mit den Regentropfen hinab in den Zwinger, und die Maslieben blüheten immer frischer, und die Kartheusernelken blüheten immer rother davon auf, und achteten's nicht, daß sie mit Thränen genetzt wurden. Aber Notburga's Wangen wurden immer bleicher und immer bleicher, und achtete lange niemand darauf. Da trat der Kaiser, ihr Vater, eines Tages zu ihr, und sprach mit seinem rauhen Tone: »Mach' dich gefaßt, Burga, dein Bräutigam wird in drei Tagen kommen.« Darauf ging er wieder von ihr. Aber Notburga sank auf einen Stuhl, und verhüllte ihre Augen. Und als nun die Nacht kommen war, stand sie an ihrem Erkerfenster, und starrte in den dunkeln Nachthimmel, und die Thränen flossen ihr häufiger, als sonst.
»Mein Otto, mein Otto!« sprach sie, »so hast du mich vergessen, hast vergessen deine treue Notburga, - vergessen in den Armen fremder Dirnen, und ist dein Herz kälter worden im Lande, wo die Sonne wärmer scheint? - Oder, fielst du unterm Schwertstreich der Feinde, und ruhst nun unter der braunen Erde, oder schläfst unterm grünen Rasen, die gelben Schlüsselblumen über deinem Herzen? - Ach, daß ich bei dir ruhen könnte in der Grabesstille! - Muß so einsam trauern in der Welt, schwanke nur noch, wie ein dünnes Rohr, das der Wind zu knicken droht, und meine Wangen sind erbleicht. - Und soll nun mit den bleichen Wangen sitzen unter den Gästen, und als Braut, als Braut, und mein Bräutigam, mein Otto, soll nicht bei mir sitzen! - O, daß ich eine treue Seele hätte, die mich führte weit, weit von hier, die mich geleitete in eine Wildniß, wo ich, fern von den Menschen, nur mir lebte, nur dein gedächte und Gottes, unsers Gottes, und Christi, und der gebenedeieten Jungfrau!«
So klagte die holdselige Jungfrau, und wußte sich keinen Rath und keine Hülfe. Denn ihrem Vater traute sie sich nicht zu widersetzen, und konnte doch nur den armen Otto lieben, und Otto war selbst nicht mehr zurückgekommen, und hatte ihr auch nicht Botschaft gesandt ein ganzes Jahr, ob er noch lebe.
Aber ihr alter treuer Diener, Kaspar, hatte ihre Klage gehört unter ihrem Fenster, und rief ihr zu, und versprach ihr, sie zu führen, wohin sie begehre. Das schoß ihr durch die Seele wie ein Blitzstrahl, und sie machte sich auf und floh noch zur selben Stunde aus ihres Vaters Burg, und wollt' hinüber über die Waldhöhe nach der Kapelle zu St. Michael flüchten, zu dem alten weißhaarigen Greise, der dort einsiedelte. Bei dem wollte sie sich Raths erholen, was sie thun solle, und wie sie sich des verhaßten Ehebundes mit dem Heidenfürsten entschlagen könne.
Aber kaum war sie an die Waldhöhe gekommen mit ihrem Diener, so sprang's schnell hinter ihnen her, und als sie sich umsahen, siehe! da erkannte Notburga den weißen Hirsch, den Otto gefangen und gezähmt hatte. Und er hielt still bei der Jungfrau, und blickte sie mit Augen an, die, wie bei den Menschen, vor Freude glänzten. Und Notburga küßte das fromme Thier, als ob's ihr Otto selber wäre, und lachte und weinte dazwischen, und setzte sich auf den bekannten Sattel, auf den sie Otto selbst oft gehoben. Aber kaum fühlte der Hirsch, daß sie fest saß, so machte er einen Satz über den Weg hinüber, und verschwand mit ihr zwischen den Bäumen.
Da stand der alte, treue Kaspar, und wollte nacheilen, und vermocht's nicht, so zitterten ihm die Kniee; er wollt' ihr nachrufen, und vermocht's nicht, so zitterte ihm die Stimme. Doch als er noch so stand, und gern helfen wollte, wenn er nur gekonnt hätte, da sah er hinab, und sah den Hirsch in den Neckar springen, und hinüberschwimmen, und Notburga sah er noch winken im Mondscheine mit dem weißen Tuche. Und glücklich sah er Notburga am andern Ufer auf dem Hirsche, aber zwischen dem Gebüsch verschwand sie im Schatten, den die Berge darauf warfen.
Als der Vater am andern Morgen erwachte, dachte er daran, seiner Tochter Notburga die goldenen Spangen und die kostbaren Ringe und Perlen ihrer verstorbenen Mutter zu geben, daß sie sich an ihrem Brauttage damit schmücke, und sie fortan trage. Als er aber zu ihr schickte, war sie nicht zu finden, nicht in ihrem Gemach, nicht im Garten, nicht unterm Apfelbaum, wo sie sonst oft saß. Und der Vater fragte bei allen, ob niemand erfahren, wohin seine Tochter verschwunden sey; aber niemand konnte ihm Nachricht geben. Und er fragte auch Kasparn, aber Kaspar fürchtete sich, und sagte: er habe davon keine Kunde.
Da sandte der Vater bekümmert Boten aus, aufwärts und abwärts am Neckar, und im Gebirge, aber niemand brachte von Notburga Kunde zurück. Und er sandte Boten von neuem aus, die nach ihr späheten, und ritt selbst hinab, und fragte in allen Burgen, bis an das Schloß Minneberg, und die Ritter der Burgen geleiteten ihn mit ihren Mannen, und zeigten ihm die verborgensten Winkel der Felsen, und die dichtesten Stellen ihrer Forste, aber Notburga konnten sie ihm nicht zeigen.
Auf Hornberg hatte aber die Mittagsglocke geläutet, und der alte Kaspar stand an seinem Fenster, da kam Notburga's Hirsch in den Zwinger, und schaute durch die Scheiben, und es däuchte Kaspar, der Hirsch sey traurig, und sprach für sich: »Ja könntest du nur reden, gutes Thier, und sagen was dir fehlt, ich wollte dir ja gern helfen. Hast du vielleicht Hunger?« fragte er, und ging hin, und nahm das Brot vom Tisch, den er sich schon gedeckt hatte, und wollt' ihm ein Stück abschneiden. Als er aber wieder an's Fenster kam, hielt der Hirsch den Kopf nieder, und bot ihm sein Gehörn dar, und blieb ruhig stehen.
»Ja was soll ich denn damit machen?« sagte Kaspar lachend, und besann sich, was der Hirsch wohl damit meine. Endlich sagte er: »Soll ich dir denn ein Stück an's Geweih stecken? Ei nun, man sagt ja, ein Stück Brot sey besser, als eine Feder auf dem Hut,« und damit schnitt er ein Stück ab, und steckt's dem Hirsch an ein Ende seines Geweihes, und schnell richtete sich der Hirsch auf, und lief damit fort, dem Neckar zu.
Und als Kaspar des andern Tages wieder an sein Fenster kam, stand der Hirsch schon wieder da, und hielt sein Gehörn hin. Aber er sah ein großes Eichenblatt daran gebunden mit einem Band. Doch als er dieß los machte, erkannt' es seine Frau, die er herzurief, für Notburga's Strumpfband; denn ihr Name stand mit Gold darauf gestickt, und auf dem Eichenblatt stand mit einer Nadel eingeritzt:
»Gott zum Gruß! Notburga dankt dem Geber des Manna in der Wüsten.«
Als aber Kaspar und Else mit Mühe diese Worte gelesen, da liefen den alten Leuten die Augen über von Thränen. »So hat der fromme Hirsch das Brot gebracht!« rief Kaspar; und »Gott, ach Gott!« schluchzte Else, »die zarte Jungfrau in der Wüste, nur genährt von unserm trocknen Brote!« und ging, und holte ein gekochtes Huhn, und band's dem Hirsche mit dem Strumpfbande an, und der Hirsch trug's schnell wieder bergab, dem Neckar zu, und kam erst am zweiten Tage wieder, und nur von Zeit zu Zeit, und die alten Leute gaben ihm immer ihr Bestes mit. Dafür brachte er manchmal ein paar dankbare Worte auf einem Blatte.
Aber der Vater Notburga's war heimgekommen von seinem Streifzuge, und hatte nichts von seiner Tochter erforscht; denn an das andere Ufer dachte er nicht, weil hinauf und hinab keine Fähre war, weit und breit, die sie hätte hinüberfahren können; auch der Bräutigam Notburga's war kommen mit hochzeitlichem Geleite und im festlichen Schmucke, aber er war auch wiederum heimgezogen, ohne die Braut mit sich zu führen.
Schon war der Kukuk verstummt und die Nachtigallen, die bei Notburga's Flucht zum ersten Mal gesungen, da machte endlich der weiße Hirsch den Vater aufmerksam. Und als er immer und immer wieder kam, und er ihn endlich ein Mal vor Kaspars Fenster stehen sahe, da ging er zu Kaspar, und fragte nach des Thieres seltsamen Gängen. Und Kaspar gestand in der Bestürzung alles, was er wußte; denn eben band er dem Hirsche ein Tüchlein mit reifen Sommeräpfeln von Notburga's Lieblingsbaume an.
Flugs machte sich nun der Kaiser auf mit seinen Rittern und Edelknechten, und verfolgten zu Pferde den Hirsch. Und als er sich in den Neckar stürzt, da sprengt auch der Kaiser hinein, und ihm folgten auch die andern auf ihren Rossen.
Drüben verschwand der Hirsch zwischen den Sträuchern, aber der Kaiser sprengte schnell nach, und sah ihn noch im Blick in eine Höhle rennen. Und als er abstieg, und mit seinem Gefolge hineintrat, lag er auf weichem Moos, und Notburga kniete mit gefalteten Händen vor einem Crucifix, das ihr Kaspar auch geschickt hatte, und betete. Da erschrack der Vater, denn sie sah ganz todtenbleich aus, weil sie nicht mehr hervorgekommen war an das Sonnenlicht, seit der Hirsch sie hierher trug.
Und er sprach mit linden Worten zu ihr, und bat sein Kind: daß es ihm doch wieder folgen möchte auf die Burg, und sein Kind seyn, wie vorher.
Notburga aber sprach: »Ich habe mein Leben Gott gelobt, und suche nichts mehr bei den Menschen.« Und wenn der Vater in sie drang, antwortete sie immer mit diesen Worten. Da ward er endlich zornig, und faßte sie beim Arm, und wollte sie mit Gewalt mit sich ziehen. Sie aber legte ihre andere Hand an ihr Crucifix, da trennte sich der Arm von ihrem Leibe, und blieb dem zornigen Vater in den Händen, daß ihn und alle, die mit ihm waren, ein grauses Entsetzen ankommt, und alle von hinnen fliehen. Und keiner begehrte mehr der Höhle und dem andern Ufer zu nahen.
Aber von Stund an ward sie als eine Heilige vom Volke geehrt, und wenn zum frommen Klausner bei der Kapelle zu St. Michael reuige Sünder kamen, so schickte er sie wallfahrten nach der frommen Notburga, und Notburga betete für die Büßenden, und hoch begnadigt kehrten sie mit ruhigem Herzen zurück.
Als darauf im Herbste die Blätter fielen, und Notburga auch zu sterben kam, da schwebten die Engelskindlein herab, und trugen die Sterbende heraus aus der Höhle, und legten ihr Crucifix auf die Brust, und sie schlug die brechenden Augen nochmals auf, und schaute hinauf gen Himmel, und seufzte freudig: »Ja, Otto! ich sehe dich winken, du bist schon dort! Ich komme!«
Damit entschwebte ihre Seele. Die Engel hüllten ihre Leiche in ein Todtengewand, und schmückten sie, ob's gleich im Herbste war, mit frischen Frühlingsrosen, und legten sie in einen Sarg, und zwei schneeweise Stiere, die noch nie ein Joch getragen, trugen ihn über den Fluß, ohne die Hufe zu benetzen; die Glocken in der Nachbarschaft läuteten von selbst, und die Engel sangen ein himmlisches Chor dazu. So brachten sie die heilige Leiche nach der Kapelle zu St. Michael, und begruben sie dort.
Als aber Notburga dort war, kam Otto's und Notburga's Hirsch nicht mehr vor Kaspars Fenster, um Manna für die Jungfrau in der Wüste zu holen. Er war verschwunden.

* * *

In der Kirche des Dorfs Hochhausen am Neckar wird noch jetzt das Bild der Notburga in Stein gehauen gezeigt. Auch die Notburgenhöhle, gewöhnlich die Jungfernhöhle genannt, ist noch zu sehen, und jedem Kinde bekannt.

- Süd-Deutschlands Miscellen, 1813. Nr. 26.

Quelle: Friedrich Gottschalck, Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen, Halle 1814


Die heilige Notburga

Eine der ältesten Tiroler Burgen war Rottenburg, welche jetzt nur noch in Trümmern die Gegend schmückt. Sie war die Wiege und der Stammsitz eines diese Gegend weithin beherrschenden Dynastengeschlechtes, das seinen Ursprung bis in das achte Jahrhundert hinauf leitete.
Ein Schutzengel war im 14. Jahrhundert dem Hause zuteil geworden, und zwar in einer frommen Jungfrau des Namens Notburga, welche Heinrich I. von Rottenburg und Ottilie, seiner Gemahlin, als Magd diente, und zwar mit der aufopferndsten Treue. Aber auch gegen die Armen war Notburga die Milde selbst, und das war der kargen Herrin Ottilie nicht recht; sie wollte nicht einmal dulden, daß die Dienerin die Speisen an Arme gebe, die sie sich selbst am Munde absparte, und es ereigneten sich auf Rottenburg Szenen wie bei der heiligen Elisabeth, Landgräfin von Thüringen, indem sich milde Gaben in Rosen verwandelten u. dgl. Ottilie ließ sich durch nichts bewegen, der guten Jungfrau Notburga anders als herrisch und feindselig zu begegnen, ja sie trieb die Arme endlich aus ihrem Schlosse. Notburga suchte und fand bei einem Bauern Zuflucht, der sie aufnahm, in dessen Haus ihr Walten Segen und Fülle brachte, obgleich die fromme Jungfrau mehr betete als arbeitete. Einst galt es Gras zu schneiden, aber ehe die Arbeit vollendet war, erklang die Feierabendglocke, indem die letzten Strahlen der sinkenden Sonne die Gegend vergoldeten. Alsbald beendete Notburga die Arbeit, und darüber wurde der Bauer etwas unmutig und sagte: „Es muß heute zu Ende geschnitten werden.“ Aber Notburga antwortete nur das eine Wort: „Feierabend!“, warf ihre Sichel hoch in die Luft, und siehe, die Sichel blieb hängen auf dem letzten Sonnenstrahl und glänzte hell wie der silberne Mond.

Je mehr bei dem Bauern der Segen wuchs, um so mehr nahm er ab beim Dynasten von Rottenburg; endlich starb Heinrich L, und Herrin Ottilie sank auch auf das Sterbelager. Da gab ihr Gott zum Glücke den Gedanken ein, Notburga zurückzurufen und ihre Verzeihung zu erbitten. Die Jungfrau kam, und bald blühte auch auf Rottenburg alles wieder im besten Wohlstand, und eine Reihe von Jahren war Notburga des Hauses wohltuender und segnender Genius. Als aber auch sie ihr Ende herannahen fühlte (nach dessen Eintreten Engel ihre Seele sichtbar in den Himmel trugen), ordnete sie an, daß ihre Leiche auf einen mit zwei Stieren bespannten Wagen gelegt werden sollte, und wo jene - ohne Lenker - sie hinfahren würden, da solle man sie bestatten. Die Tiere fuhren den Leichnam über den Inn, zu einer Kapelle des heiligen Ruprecht, in welcher in früherer Zeit Notburga oft gebetet hatte; dort begrub man sie nun, und da an ihrem Grabe Wunder geschahen, so wurde sie vom Volke als eine Heilige verehrt und ihr zu Ehren später eine herrliche Kirche erbaut und geweiht, die nun eine besuchte Wallfahrtskirche ist, und zu Eben ob Jenbach steht.
In diesem letzten Zuge der Sage von der Tiroler Notburga klingt ersterer zusammen mit der gleichnamigen Heiligen, die man in Schwaben verehrt, als eine Tochter des Frankenkönigs Dagobert nennt und ihr im Dörfchen Hochhausen eine Kapelle errichtete. Auch vom Begräbnis des hl. Sebaldus und der hl. Stilla gehen gleiche Sagen.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 83

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